Der Krieg um das «Arbeiten von überall» hat begonnen - jobs.nzz.ch

Der Krieg um das «Arbeiten von überall» hat begonnen

Veröffentlicht am 12.09.2023
Der Krieg um das «Arbeiten von überall» hat begonnen
Es ist 8:15 Uhr am 20. September. Das Wetter am Strand von Peniche ist perfekt: Sonne, wenig Wind und eine gleichmässig brechende Welle von knapp zwei Meter Höhe. Sein Surfboard gleitet die erste Welle des Tages mit faszinierender Leichtigkeit hinunter. Im ersten Turn zieht sein neues Channel Island CI Fish eine saubere Kurve am Fuss der Welle. Die Bedingungen sind ideal für sein 5´8 Fuss langes Brett mit 31,6 Liter Volumen. Die unglaubliche Kraft des Meeres, der Welle überträgt sich auf ihn direkt und doch mit viel Kontrolle. Das ist es, warum Marc surft, die unerklärliche Verbundenheit mit den Kräften der Natur, ein unbeschreibliches Glücksgefühl und das Gefühl grenzenloser Freiheit. Was für ein Start in den Tag!

Marc ist am Supertubos, dem wohl berühmtesten Stand von Peniche. Die Stände dort sind der Grund, warum sich Portugal den Ruf als die beste Surfdestination in Europa erarbeitet hat. Für viele Top-Surfer ist dort die beste europäische Pipeline, im Oktober findet hier das Rip Curl Pro statt und die ASP-Welttournee veranstaltet hier Wettbewerbe.

Für Marc ist es der Beginn eines Arbeitstags, nicht als Pro-Surfer, sondern als Mitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens.

Der Krieg um das Arbeiten von überall aus hat begonnen


Vergiss die Verpflichtung zur Rückkehr ins Büro für alle. Ob es uns als Unternehmer oder Entscheider gefällt oder nicht: einige der besten Talente wollen ultimative Flexibilität. Wir müssen an Board kommen und offen sein für neue Konzepte. Konzepte, die vor wenigen Jahren für viele undenkbar waren.

Wer bestimmt, viele Tage du im Büro arbeiten wirst? Wer bestimmt, wie du dein Leben gestalten möchtest? Den Chefs dämmert es allmählich, dass nicht sie die wahren Machthaber sind. Die Spitzentalente, die jedes Unternehmen haben möchte, ändern die Spielregeln. Und inzwischen nicht mehr nur die Spitzentalente, sondern immer mehr die guten Leute, die auf die eine oder andere Weise nicht verzichtbar sind, für die aber ein traditioneller Beruf von Montag bis Freitag, nicht mehr in Frage kommt.

In der Wirtschaftsgeschichte war es immer wieder so, dass die begehrtesten Bewerber, das Erscheinungsbild unserer Arbeitsplätze geprägt und verändert haben. In den frühen 90er Jahren war die Nutzung von E-Mails auf Telefonen vor allem den Chefs vorbehalten. Ein Luxus und auch ein Statussymbol, begleitet von damals entsprechend seltenen Mobilgeräten. Bald begannen die Top-Talente in den Unternehmen diese Telefone einzufordern und schon bald war es schwierig zu argumentieren, wer ein Mobilfunkgerät mit oder ohne E-Mail-Fähigkeit erhält. Und heute ist E-Mail auf mobilen Geräten selbstverständlich.


Wir stehen vor einem radikalen Wandel


Die Nachfrage nach extremer Flexibilität wird alle Unternehmen vor grosse Herausforderungen stellen. Top-Talente wollen nicht nur hybride Arbeitsformen, sie wollen von überall in der Welt arbeiten. Die Top-Talente sind dabei die Innovatoren, jene Menschen die unsere Kultur in Frage stellen, die neue Regeln entwickeln und einfordern. Die Early Adoptors werden nicht lange auf sich warten lassen, dieselbe extreme Flexibilität einfordern, sobald sie erkennen, wie und wo ihr Einfluss, ihre Machtposition, stark genug ist, dies durchzusetzen. Die Top-Talente erkennen, dass sie diese Macht schon jetzt haben oder zumindest in Teilbereichen durchsetzen können.


Zwei Arten von Unternehmen


Es wird zwei Arten von Unternehmen geben: Jene, die das «Arbeiten von überall» annehmen, und jene, die versuchen zu verhindern. Dieser Kampf kann nicht gewonnen werden. Unternehmen, die sich dem Wandel entgegenstellen, werden ihre Top-Talente verlieren. Unternehmer und Entscheider versuchen die Zeit zurückzudrehen, gehen ein grosses Risiko ein, ihre besten Talente zu verlieren. Dies wird die Dynamik in Gang bringen. Denn nicht nur sind gute Leute gegangen, für neue Top-Talente sind nicht die Rahmenbedingungen zu finden, die offenere Unternehmen bieten werden. Wer zu spät handelt, wird es schwer haben aufzuholen.


Wir stehen erst am Anfang


Während der Pandemie stellten wir uns vor, dass das Modell «Drei Tage im Office und zwei Tage zu Hause» zur Norm werden würde. Im Juni 2020 waren viele Unternehmen noch der Meinung, dass 1,5 Tage Arbeit von zu Hause, normal sein würde. In den folgenden zwei Jahren wurde diese Erwartung korrigiert und immer mehr Arbeitnehmer wollen die Hälfte ihrer Arbeitszeit zu Hause einbringen. Bei Start-up Unternehmen können wir schon aktuell beobachten, dass «Remote-First» die neue Devise ist. Etablierte Unternehmen werden vor grossen Herausforderungen stehen, ihre Strukturen diesen Erwartungen anzupassen, wenn sie weiterhin als Arbeitgeber gefragt sein wollen.

Klar ist, dass es kein einfacher Übergang für unsere Unternehmen sein wird. Das Jahr 2023 mag vor dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Abschwungs dem einen oder anderen traditionelle Chef als letzter Versuch dienen, die Zeit zurückzudrehen und Arbeitnehmer umfassend ins Büro zurückzulocken. Wenn der wirtschaftliche Abschwung kurz ist, ist das Druckmittel eines schwächeren Arbeitsmarkts schnell verbraucht. Wir werden Diskussionen und Konflikte in unseren Unternehmen über die Forderung nach extremer Freiheit haben. Diskussionen über Ungleichheit im Unternehmen werden grösser, arbeitsrechtliche und versicherungstechnische Probleme werden zu lösen sein. Aber wer bewahren will, verkennt die Zeichen der Zeit: Die Innovatoren unter den Top-Talenten haben sich bereits entschieden. Die anderen werden folgen.

Und Marc? Wie lief sein Tag in Peniche? Als er um 11:00 Uhr, drei Stunden nach seiner ersten Welle glücklich sein Channel Island Surfboard aus dem Wasser trug, stand sein Laptop bereit. Marc weiss, dass seine Fähigkeiten von vielen Unternehmen gefragt sind. Es mangelt ihm an nichts: Er hat herausragende Fachkenntnisse, grosses Engagement, er ist ergebnisorientiert und ein Teamplayer.

Warum sollten wir die Kultur in unseren Unternehmen nicht weiterentwickeln, so dass wir gute Leute gewinnen und halten können? Vielleicht ist es nicht das ganze Jahr, sondern nur sechs Wochen im Frühjahr und Herbst, wenn die Wellen besonders gut sind, die wir mit Marc vereinbaren. Die Offenheit für extreme Freiheit, können wir selbst anstossen oder wir werden von den guten Leuten gestossen. Wir können wählen, was uns lieber ist.


Insights:

  • Wie kannst du extreme Flexibilität in deinem Umfeld ermöglichen?
  • Wie solltest du deine eigene Arbeit verändern?
 
Wenn du jemanden kennst, für den die „Leadership Journey“ auch nützlich ist, freue ich mich, wenn du den Newsletter weiterleitest. Danke!
 

Abonniere Franks wöchentlichen Newsletter «Leadership Journey» unter:
https://frankarnold.com/newsletter-anmeldung/




 
Über den Autor:



Dr. Frank Arnold (geb. 1973) hat umfangreiche Erfahrungen aus über 300 Veränderungsprojekten mit Unternehmen aller Branchen gesammelt. Seit 2009 begleitet er Unternehmen dabei, Strategie- und Transformationsprozesse zu etablieren, in denen die kollektive Intelligenz des Unternehmens optimal genutzt wird. In seinen Leadership Journeys sowie in der von ihm entwickelten FLYWHEEL CONCEPT Methode, www.flywheel-concept.com, hat er seine Erfahrungen aus Strategie, Transformation und Umsetzungsmanagement zusammengeführt. Die Prozesse und Methoden ermöglichen Unternehmen, ihre strategischen Ziele wirksam und effizient zu erreichen.




--> Impuls-Vorträge für Veränderung
https://frankarnold.com/vortraege/